Vom 20.–22. September gingen die Tage für Literarisches Sprechen erfolgreich über die Bühne. Die Festivaltagung – eine Kooperation der Arbeitsgruppe Spokenword im Netzwerk Lyrik und der Akademie für gesprochenes Wort Stuttgart – versammelte einige der besten Köpfe der Spokenwordszene und Literaturwelt aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um sich über die Bedeutung und die Produktionsbedingungen von Spokenword auszutauschen. Seit dem Hausacher Leselenz 2021, in dessen Rahmen das Hausacher Protokoll erarbeitet wurde, war es die erste Begegnung dieser Art. Besonders erfreulich: mit Katja Brunner, Melanie Katz, Julia D. Krammer, Katharina Mevissen, Rike Scheffler und Kinga Tóth waren auch Autor_innen zu Gast, die sich selbst nicht unbedingt dem Label Spokenword zuordnen würden; und gerade das sorgte für spannende und mitunter streitbare Gespräche. Gespräche, die zeigen, wie sehr Begriff und Kunstform noch in Bewegung sind. Sie zeigen auch, dass es nach wie vor Label- und Lobbyarbeit bedarf, um den literarischen Aggregatszustand Gesprochenes Wort als eigenständige und vielfältige Spielart der Poesie sichtbar zu machen. Es ist noch ein weiter Weg. Doch die neuen Bekanntschaften machen Mut und die Diskussionsergebnisse, die nun in einem neuen Manifest, dem Stuttgarter Protokoll, festgehalten sind, machen Hoffnung.
Veranstaltungen indes schaffen Fakten. Dass nicht nur in Tagungsräumen (poetologisch), sondern auch auf Bühnen (poetisch) gesprochen wurde, liegt in der Natur der Sache und ist gleichsam strategisch begründet. Um Spokenword als öffentliche Aufgabe zu etablieren, die mit entsprechenden Mitteln gefördert werden will, muss Spokenword nämlich vor allem eins: stattfinden. Nach und nach löst sich die Bühnenpoesie aus der Dienstleistungslogik und der Kommodifizierung, weicht der Eventcharakter des Formats dem Ereignis der Sprache selbst. So war es bei der Festivaleröffnung im Theaterhaus zu spüren und spätestens das Abschluss-Showcase im Kulturquartier lies keinen Zweifel mehr an dieser Entwicklung.
Wie die schriftbasierte Lyrik auf die Geduld des Papiers angewiesen ist, so stellt auch Spokenword endlich Anspruch auf Zeit und Raum und Ruhe. Oder wie es im Grußwort von Nora Gomringer heißt: »Wer weiß also, ob Spokenword nicht eigentlich die aus dem stillsten Ort gewonnene Kunstform ist, die mit der Unterstützung von Zwerchfell, Luftstrom und Lungenvolumen viele Ohren, Gehirne und Herzen erreicht?«
Wir wissen es.