Lyrik hat viele Orte. Sie ist nicht nur für das stille Lesen da, sondern lebt auch vom Live-Moment und steht im Mittelpunkt von sozialen Ereignissen. Ihre Präsentation in Form von Lesungen, Performances, Ausstellungen, Social Media oder Websites ist einerseits Vermittlung und andererseits zentraler Bestandteil einer lebendigen Lyrikszene.
Etwa seit den späten 90er Jahren haben sich in Deutschland zunehmend Orte gegründet, die sich auf die Präsentation von Lyrik konzentrieren. Diese selbstgeschaffenen Räume sollten zusätzlich zu den etablierten Literaturhäusern oder bewusst abseits von ihnen bestehen. Gleichzeitig hat die Lyriklandschaft starke Impulse aus dem Poetry Slam aufgenommen, der der Literatur neue Orte erschlossen hat. So wird Lyrik heute z. B. auch in Cafés, Kneipen, Waschsalons, auf Minigolfplätzen oder in Schwimmbädern präsentiert.
Lyrik hat sich damit zunehmend als eine Kunstform etabliert, die sich ihre Orte selbst schafft. Gleichzeitig haben Kooperationen mit anderen Künsten wie Musik, Theater und Bildender Kunst dafür gesorgt, dass Dichter:innen auch in Theatern, Konzertsälen, Museen oder Galerien zu Hause sind: Es existieren Audiowalks, die zu Ausstellungen konzipiert werden, Lesungen, die mit Musiker:innen zu Konzerten arrangiert werden, oder theatralische Inszenierungen von Lyrik. Weiterhin ist die klassische Lesung für die Lyrik zentral, gleichzeitig gehen ihre Präsentationsformate aber weit darüber hinaus. Einige Lyriker:innen haben eigene Formate entwickelt, sodass Lyrik in Form von Slides, Posts, VR-Installationen, Websites und Bühnenperformances sichtbar wird.
Das Internet wird für die Lyrikproduktion und als Mittel für Verbreitung, Austausch und Kritik genutzt. Während die deutsche Lyriklandschaft im internationalen Vergleich eher zurückhaltend wirkt, wenn es darum geht, Gedichte auf Social Media zu posten, hat sie umso mehr redaktionell betreute Online-Projekte hervorgebracht.
Aber Lyrik ist nicht nur in Bezug auf unterschiedlichste Kunstgattungen durchlässig, sondern auch in ihrem Kernbereich: Sie integriert unterschiedliche Sprachen, Soziolekte, kulturelle Codes und neue sprachliche Entwicklungen. Lyrik ist damit Ort für trans- und multilinguale Kreativität, mehrsprachiges Denken sowie für internationalen und interkulturellen Austausch. In der Poesie interagieren verschiedene Sprachen, Dialekte oder Stilebenen unmittelbar. Dadurch ermöglicht Lyrik Begegnung, Empathie und Multiperspektivität.
An Schulen kommt Gegenwartslyrik bislang kaum vor, und kanonisierten Gedichten wird sich vor allem über Analyse und Interpretation angenähert. Gedichte selbst zu schreiben, gehört dagegen nicht zum Curriculum, sodass sich außerschulisch und z. T. in Zusammenarbeit mit Schulen unterschiedliche Initiativen zur Nachwuchsförderung und zur poetischen Bildung gegründet haben.
Während sich die Lyriklandschaft in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stark erweitert und differenziert hat, ist die Präsenz von Lyrik an jenen Orten, die eigentlich für ihre Präsentation zuständig wären, stark zurückgegangen. Literaturhäuser haben oft nur ein kleines oder gar kein Lyrikprogramm, die Lyrikabteilungen von Buchhandlungen und Bibliotheken beschränken sich oft auf wenige Klassiker, im Feuilleton spielt Lyrik eine untergeordnete Rolle.
Dem gegenüber stehen selbstorganisierte Veranstaltungsorte, engagierte Buchhandlungen, die Lyrik vermitteln, und – vor allem – verschiedenste Online-Plattformen, die sich der Lyrikbesprechung widmen. Meist ist die Arbeit in den genannten Bereichen hochprofessionell, wird aber durch inadäquate Förderstrukturen in einem prekären Stadium gehalten: Da Förderungen immer von Neuem eingeworben werden müssen, können sich die Angebote nicht stabilisieren. Dabei wäre nur eine feste, strukturell sichere Infrastruktur in der Lage, die rasante Entwicklung der Lyrik in all ihren Formen abzubilden, zu begleiten und zu pflegen sowie im Bereich der poetischen Bildung darzustellen.
Die folgenden Seiten sollen die ganze Bandbreite von Orten dokumentieren, die Lyrik vermitteln, Bühnen schaffen und online wie offline Begegnungen ermöglichen. Mit ihrer Arbeit machen sie eine dynamisch wachsende Lyrikszene einem noch breiteren Publikum zugänglich. Die Dokumentation der Lyriklandschaft ist im Aufbau begriffen und kann daher keine Vollständigkeit beanspruchen.
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Hier finden Sie Lyrik-Veranstalter:innen, also zum Beispiel Institutionen, Vereine, Festivals und freie Initiativen.
Hier finden Sie akademische Orte der Lyrik: Universitäten, Forschungseinrichtungen und -programme.
Hier finden Sie Websites und digitale Plattformen, die sich auf die Präsentation, Kritik und poetische Bildung im Bereich Lyrik konzentrieren.
Hier finden Sie Buchhandlungen in ganz Deutschland, die einen Schwerpunkt auf Lyrik legen.
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