Was braucht die zeitgenössische Lyrik?

Lyrik entsteht zum allergrößten Teil unter prekären Bedingungen. Es gibt kaum Förderinstrumente für Lyrik und die bestehenden Förderstrukturen allgemeiner Literaturförderung werden den aktuellen und veränderten Bedingungen von Produktion, Präsentation und Distribution sowie der Vermittlung von Lyrik nicht gerecht.

Ein struktureller Wandel ist hier gefordert. Die nachhaltige Entwicklung der vielversprechenden Dynamiken der Kunstform Lyrik wäre sonst gefährdet.

Unsere Kernforderung: Ein Fonds für die Lyrik


Derzeit gibt es kaum Förderinstrumente für die Lyrik. Die vorhandenen Förderinstrumente berücksichtigen die spezifischen Bedingungen für Produktion, Distribution und Vermittlung von Lyrik nicht. Eine nachhaltige Entwicklung der vielversprechenden aktuellen Dynamiken ist in vielerlei Hinsicht gefährdet.

Das Netzwerk Lyrik hat daher in mehreren Arbeitspapieren formuliert und herausgearbeitet, dass Lyrik als Kunstform der Sprache und alle mit ihr verbundenen Bereiche spezifische Bedürfnisse und Ansprüche haben. Als zentrale Forderung wurde mit dem „Lyrikfonds“ ein neues Förderinstrument entwickelt, das diesen gerecht werden kann.

Da Lyrik nicht kommerziell orientiert ist, wird der Fonds Strukturen bereitstellen, die ihre Produktion, Präsentation, Distribution, Vermittlung und Selbstorganisation nachhaltig unterstützen. Er fördert Lyrik als eigenständige Kunstform zeitgemäß und breitenwirksam und trägt ihren spezifischen Eigenheiten in allen Bereichen Rechnung.

Hier kann das Konzept im Detail eingesehen werden:

Der Lyrikfonds – Konzept für ein neues Förderinstrument

Unsere Positionen

In Kurzform zusammengefasst fordert das Netzwerk Lyrik e. V. folgende Veränderungen:

 

  • Förderungen, die den Eigengesetzlichkeiten der Kunstform Lyrik gerecht werden

Lyriker:innen entwickeln ihre poetisch relevante Stimme in kontinuierlichen und längerfristigen Prozessen, die einen experimentellen Charakter haben können und nicht auf ein im Vorfeld bezeichnetes Ergebnis festgelegt werden können. Gängige Formate der Literaturförderung berücksichtigen solche Arbeitsprozesse bisher kaum.

Notwendig sind ergebnisoffene, flexible, risikobereite und langfristige Förderstrukturen für künstlerische Arbeit, die weniger ein konkretes Ergebnis als vielmehr solche Arbeitsprozesse in den Blick nehmen, die nicht durch scharfe Projektgrenzen eingeschränkt sind. Dabei gilt es, ephemere, prozessuale, performative, mündliche und digitale Formen als Resultate künstlerischer Arbeit anzuerkennen.

Das gilt in vergleichbarer Weise auch für die Produktion von Lyrikübersetzungen.

 

  • Flexible Veranstaltungsförderungen

Größere Lyrikveranstaltungen und -festivals bieten sowohl der Kunstform Lyrik als auch ihrer Übersetzung eine Bühne und machen sie in der Kulturberichterstattung medial sichtbar. Darüber hinaus lassen sie sich als Möglichkeiten der unmittelbaren Lyrikerfahrung oder in Verbindung mit begleitend angebotenen Workshops ans Programm der poetischen Bildung anschließen.

Ein wesentlicher Ansatz zur Förderung von Lyrik besteht daher in der Unterstützung von Veranstaltungen. Einerseits werden mit ihnen die Produzierenden (einschließlich ggf. der Übersetzer:innen) als auch die Veranstalter:innen und andere Vermittler:innen gefördert, andererseits erhöht sich durch sie die öffentliche Wahrnehmung und Wirksamkeit von Lyrik.

Es bedarf einer flexiblen Produktions- und Veranstaltungsförderung, die die Vielfalt von Präsentationsformen berücksichtigt. Veranstaltungsorte sind räumlich wie technisch so auszurüsten, dass sie den veränderten Bedürfnissen lyrischer Produktionen gerecht werden.

 

  • Langfristige strukturelle Förderungen im unabhängigen Produktionssektor

Der gegenwärtig zu beobachtende wachsende Zuspruch für zeitgenössische Lyrik spielt sich außerhalb der sich zunehmend monopolisierenden Buchhandels- und Verlagslandschaft ab. Lyrikbände junger, unbekannter Autor:innen erscheinen wenn, dann in kleinen und mittleren risikobereiten, unabhängigen Verlagen, meist in kleineren Auflagen, was beiden Seiten keine nennenswerten Einkünfte bringt.

Um den Herausforderungen des Buchmarkts auch auf digitaler Ebene in den nächsten Jahrzehnten begegnen zu können, bedarf es zur Förderung der Lyrik im unabhängigen Produktionssektor langfristiger struktureller Förderung durch den Bund und die Länder. Zu denken wäre dabei an finanzielle Hilfen für Produktionskosten, Lesereisen, Präsentationen.

 

  • Feste Infrastruktur für Lyrik

Für die Lyrik gibt es kaum etablierte Orte, vor allem im Vergleich zu nahen Kunstformen wie der Prosa oder des Dramas – siehe dazu auch unsere Einführung in die Orte der Lyrik in der Lyriklandschaft. Wie dort sichtbar wird, etablieren sich allmählich erste Institutionen, Festivals und Preise.

Die meisten Unternehmungen und ihre Akteur:innen jedoch verbleiben im Bereich der Selbstorganisation und müssen ihre Förderungen jährlich und von vielen verschiedenen Stellen einwerben. Dies immer mit ungewissem Ausgang. Dabei wäre nur eine feste, strukturell sichere Infrastruktur in der Lage, die rasante Entwicklung der Lyrik in all ihren Formen abzubilden, aufzufangen, zu begleiten, zu pflegen und zu bewerben sowie im Bereich der poetischen Bildung darzustellen.

 

  • Poetische Bildung als Sprach- und Kunsterziehung

Einen wesentlichen Ansatz zur Stärkung der zeitgenössischen Lyrik als eigenständiger Kunstform sehen wir im Bereich der poetischen Bildung – von der vorschulischen bis zur akademischen Ebene.

Lyrikunterricht ist Kunstunterricht – sowohl theoretisch wie unmittelbar praktisch – und muss als solcher entwickelt werden.

Die Einbeziehung von Lyriker:innen in die institutionelle Vermittlung ist dabei wesentlich. Auch eine regelmäßige Zusammenarbeit von Übersetzer:innen, Kritiker:innen, Lehrer:innen, Fachdidaktiker:innen und Wissenschaftler:innen mit Lyriker:innen und im Folgenden dann mit den Schüler:innen ist von großer Bedeutung. Ein initiatives Engagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und ein gemeinsames Vorgehen mit der Beauftragten bei der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) wäre wünschenswert.

Lyrik fördern und stärken

In unserer Broschüre Lyrik fördern und stärken gehen wir im Detail auf diese Forderungen ein und zeigen mögliche Handlungsansätze und Instrumente zur Lyrikförderung auf.

Hier kann die Broschüre heruntergeladen werden.

Weitere Forderungen und Positionspapiere nach Jahren sortiert

Die Positionspapiere lassen sich jeweils mit einem Klick als PDF herunterladen.

 

2020

Positionspapiere zu Lyrik als eigenständiger Kunstform

Entstanden bei der Fachtagung 2020 (online)

 

2019

Vermittlungskonzept und Handlungsempfehlungen

Entstanden bei der Fachtagung in Halle/Saale

 

2018

Positionspapiere zur Vertiefung des Aufgabenkatalogs

Entstanden bei der Fachtagung in Kassel

 

2017

Aufgaben- und Forderungskatalog zur Stärkung der Lyrik

Entstanden bei der Fachtagung in Caputh

Studie zur Einkommenssituation von Dichter:innen in Deutschland

Eine erste (mit 200 Befragten bedingt repräsentative) Umfrage zur Einkommenssituation von Dichter:innen konnte 2017 vom Haus für Poesie in Auftrag gegeben werden. 114 Dichter:innen haben die Fragen zu ihrer Einkommenssituation beantwortet: 75% der Dichter:innen liegen demnach mit ihrem Gesamteinkommen unter dem durchschnittlichen deutschen Bruttoeinkommen von 32.486 Euro; ohne andere Erwerbstätigkeit leben 25% in prekären Verhältnissen. Die Einnahmen aus Lesungen und anderen Veranstaltungen sind für Dichter:innen um ein Mehrfaches höher als durch den Buchverkauf. Die Studie dokumentiert detailliert die Ergebnisse der Befragung mit Blick auf biografische Merkmale, Berufspraxis und finanzielle Situation. Dargestellt werden auch die Verbesserungsvorschläge der Befragten für ihre Einkommenssituation.